Gutzkow, Karl: Imagina Unruh. Novellen by Gutzkow

Gutzkow, Karl: Imagina Unruh. Novellen by Gutzkow

Autor:Gutzkow [Gutzkow]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Novellen
Herausgeber: barsto
veröffentlicht: 2010-12-09T23:00:00+00:00


Die Selbsttaufe

1846

1.

Seine Hochwohlgeboren, der Commerzienrath und Ritter mehrer Orden, Herr Wallmuth schienen nicht angenehm geruht zu haben. Vielleicht dauerte der gestrige Thee beim portugiesischen Gesandten zu lange; vielleicht hatte ein böser Genius dem glücklichen, aber alten Manne Gott Saturn mit der Hippe im Traume vorgeführt. Der Treffliche schien verstimmt. Jacob, der älteste seiner Diener, kleidete ihn an. Jacob war der älteste Diener; denn er stand grade sieben Monate in seiner Stellung zum Commerzienrath. Das war lange, lange für die Prinzipien eines Mannes, der auch darin mit der Jugend fortschreiten und sich jung erhalten wollte, daß er nichts mehr haßte als alte Dienstboten, Menschen, die uns, wie er oft in seiner geistreichen Weise sagte, in ihr eignes Alter hinunterziehen, durch langjährige Gewöhnung beherrschen und uns eine Welt, die voll so heiterer Freuden und einladender Reize ist, langweilig erscheinen lassen. Jacob war ein junger Groom, der noch vor sieben Monaten als Jokey hinter der österreichischen Gesandtin geritten war.

Man überreichte dem Commerzienrath seine Morgenkleider. Er schlüpfte in einen gelbseidenen Schlafrock und gähnte sich aus. Jacob erhielt den ersten unfreundlichen Blick, der Herr der Schöpfung den zweiten. Wallmuth hatte das Wetter in Augenschein genommen und fand es nicht lobenswerth. Er warf sich in sein Canapee mit dem Bewußtsein, daß es dem Herrn der Schöpfung verdrießlich war, schon so früh Morgens nicht den Beifall des Commerzienrathes und Ritter mehrer Orden, Herrn Wallmuth erhalten zu haben. Jacob rückte ihm eine Maschine entgegen. Der große Mann wird sich die Chocolade selber machen. Er nimmt die braune Cacaotafel, bricht sie höchsteigenhändig in erst größere, dann diese in immer kleinere Stücke, bis die Stücke klein genug sind, um in dem heißen Wasser zu schmelzen. Jacob wischt ihm die braun gewordenen Finger ab. Dann rührt der Commerzienrath den würzigen Trank und studirt die Lehre von der Brechung der Lichtstrahlen an dem bunten Schaum, der auf den Rand der Trommel steigt. Hätte Jacob Geist genug gehabt, zu behaupten, daß der Lichtschimmer, der diese prismatischen Farben des Chocoladenschaumes hervorbrachte, von des Commerzienrathes klarem Auge ausginge, die Bitte um eine kleine Zulage würde ihm nicht abgeschlagen worden sein.

Der Morgen eines reichen, geehrten, glücklichen Mannes! Nur die Verdauung ist nicht immer, wie sie sein soll. Heute ist sie ungestört, denn der Commerzienrath nimmt zu Soupers, die alten Leuten weit gefährlicher sind als Diners, keine Einladungen mehr an. Die Zeitungen beschäftigen ihn, er hält sie alle; alle, die in der Residenz erscheinen. Er liest sie von rückwärts, von der städtischen Chronik und den Theaterangelegenheiten an bis zu den politischen Ereignissen nach vorn, die ihn seiner Orden wegen interessiren. Heute sucht er nach einer Notiz, die er gestern an alle Redactionen eingesandt hatte. »Herr Commerzienrath, Ritter etc. Wallmuth hat dem Verein der Gartenfreunde ein vorzügliches Exemplar von Tropaeolum tricolor zum Geschenk verehrt.« Sie steht da, die Notiz, ohne Druckfehler, sie steht in allen Blättern. Das machte ihn heiterer, er schlürft die Chocolade mit größerm Behagen, er malt sich aus, welchen Eindruck grade in diesem Augenblick bei der Morgencollation diese Stelle auf Se. Durchlaucht den Fürsten, auf



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